TQW Magazin
Miwa Negoro über Magic Maids von Eisa Jocson & Venuri Perera

Ein magisches Besenritual für unbändiges Aufbegehren

 

Ein magisches Besenritual für unbändiges Aufbegehren

Frauenfeindlichkeit, häusliche Gewalt und Femizid. Objektivierung, Sexualisierung und Ausbeutung feminisierter Arbeit. Die tyrannische Kontrolle über feminisierte Körper manifestiert sich auf unterschiedliche Weise auf der ganzen Welt, wie an der Regulierung, am Verbot und an der Kriminalisierung von Abtreibung und Empfängnisverhütung ersichtlich ist. Diese restriktiven Fortpflanzungsgesetze erinnern an die europäische Hexenjagd von vor Jahrhunderten, während auch heute noch Beschuldigungen der Hexerei in einigen Ländern als Folge der Kolonisierung weitverbreitet sind. Es handelt sich dabei um eine Technik patriarchaler Gouvernementalität, die sich hartnäckig hält. Gleichzeitig ist es in der neoliberalen kapitalistischen Welt durch die Verflechtung der politischen und wirtschaftlichen Ungleichheit zwischen globalem Süden und globalem Norden gang und gäbe geworden, Menschen für die Haus- und Pflegearbeit auszubeuten, und dieser Trend hält an.

In der Performance Magic Maids bringen die Choreografinnen Eisa Jocson und Venuri Perera dieses System der Unterdrückung von feminisierten Körpern ins Wanken und machen sich die Archetypen der Hexe und des Dienstmädchens in Form von somatischen Tanzvokabularien zu eigen. Hier treffen Geschichten von dämonisierten Frauen in Mitteleuropa auf ausländische Hausangestellte von den Philippinen und aus Sri Lanka, verbunden durch ein magisches Reinigungsutensil – den Besen.

Es handelt sich hierbei um eine rituelle Performance. Die beiden Tänzerinnen beginnen damit, den Raum mit kleingehacktem Ingwer und geflüsterten Zaubersprüchen zu reinigen. Die Sitzplätze für das Publikum werden durch Ketten aus aufgefädelten Chilischoten beschützt. Wir sind bereit, das Ritual des Besens als transformierenden Akt zu erleben, durch das uns zwei magische „Besenexpertinnen“ im Fracksakko geleiten.

Mit einfachen Schritten bewegen sie sich über die Bühne und halten hölzerne Saalbesen zwischen ihren Beinen. Diese schwenken dabei von links nach rechts, von rechts nach links. Die Performerinnen gehen von vorne nach hinten, von hinten nach vorne. Die Bewegung ist rhythmisch, aber monoton. Synchron. Kehren ist in der Tat eine repetitive Bewegung. Doch die Besen kehren nicht wirklich, sondern ihre Bewegungen ergeben sich aus den Bewegungen der Körper. Sie sehen aus wie Schwänze, wie Verlängerungen, die mit den Körpern verbunden sind.

Wir spüren eine geisterhafte Präsenz mit Stimmen, die im ganzen Raum zu hören sind. Nach und nach nehmen die beiden Performerinnen die unterschiedlichsten Arten von Besen zur Hand. Dabei heben sie mit einem Bein den Stiel hoch, schwingen ihre Körper hin und her, kriechen. Ein Up-Tempo-Beat setzt ein. Sie entledigen sich ihrer Jacken und Haargummis und lassen ihr langes Haar herabfallen. Sie halten mehrere Besen gleichzeitig in beiden Händen wie ein Flügelkostüm, schütteln ihre Körper durch und betören das Publikum wie bei einem Schönheitswettbewerb. Die Körpersprache der Verführung und das eintrainierte „exotische Andere“ werden dargeboten und verflechten sich mit der Politik des dominanten Blicks und der Begierde, die aus dieser Machtdynamik Kapital schlägt. Und dennoch ist ersichtlich, dass diese Performance strapaziös ist. Sie ist eintrainierte affektive Arbeit. Wie Dienstleister*innen in anderen Branchen sind Tänzer*innen und Hausangestellte emotional und körperlich diszipliniert, sie verfügen über ein angemessenes Verhalten und außergewöhnliche Fähigkeiten, um denjenigen, für die sie arbeiten, dienlich zu sein und für sie eine Leistung zu erbringen. Wie um diese Situation zu unterstreichen, prägt sich der Songtext von „I’m a Slave 4 U“ in den Moment ein. Eine Beschwörung von Britney Spears – eine skandalumwitterte Pop-Ikone der Arbeiter*innenschaft und ein dem Kapital unterworfener Körper, der vom Leben in der Arbeiter*innenklasse geprägt ist.

Im weiteren Verlauf der Aufführung verblassen die offenkundig verführerischen Gesten, und ihr emotionaler Charakter verändert sich allmählich: von Lachen, Heulen, Tier(-isch-)werden bis hin zu monsterhaften Posen wie dem Herausstrecken der Zunge. Wut, Hysterie und Wahnsinn – all die Eigenschaften, die mit dem Frausein verbunden sind – stellen die Performerinnen mit ihren Körpern bildlich dar. Jetzt, wo es sich ausgelächelt hat, geht eine bedrohliche Energie von ihnen aus. Ihre Besenflügel sehen jetzt mehr nach Monstern aus als nach Kostümen für einen Schönheitswettbewerb. Es scheint, als hätten mythische dämonische Kreaturen von den Performerinnen Besitz ergriffen. Sie werden eins mit den Besen und verwandeln sich in etwas Wildes.

Diese Verwandlung von außergewöhnlicher Schönheit in Monstrosität veranschaulicht die patriarchalische Technik der Kontrolle. Von Märchen und Sagen bis hin zu zeitgenössischen Fällen geschlechtsspezifischer Gewalt (einschließlich Vergewaltigung) wurden weibliche Schönheit und sexuelle Anziehungskraft oft als gefährlich geframt, als Macht des Bösen, die Männer verführt und die soziale Ordnung zerstört. Die Verkörperung von wilder Schönheit ist somit eine Manifestation des Aufbegehrens. Sie ist ein Prozess der „(Wieder-)Verwilderung der gezähmten weiblichen Arbeit“, wie die Künstlerinnen es ausdrücken. Sie ist ein Ritual der Ungehorsamkeit, mit dem das Metanarrativ demontiert wird.

Nach der Verwilderungsszene wenden sich die beiden Künstlerinnen an das Publikum und fragen: „Habt ihr eine Sri Lankerin?“ „Warum habt ihr zu Hause keine Filipina!?“ Eine leichte Spannung liegt in der Luft. Sie lässt uns den jahrhundertelangen Kampf und die globale Ungerechtigkeit überdenken: Wer macht die Hausarbeit? Wer verrichtet die Pflegearbeit? Wer wird sich letztendlich um die Betreuerinnen kümmern? Die Performerinnen plaudern weiter über migrantische Hausarbeit, die von den Wirtschaftssystemen der beiden Länder exportiert wird, und erzählen von Fällen von Gewalt, von einer der letzten Frauen (übrigens auch ein Dienstmädchen), die in Europa als Hexe verurteilt und hingerichtet wurde, bis hin zu einem schwangeren Dienstmädchen, das vor nicht allzu langer Zeit vom Sohn ihres Arbeitgebers ermordet wurde. Tausende solcher Geschichten und die Geister derer, die Opfer von brutaler geschlechtsspezifischer Gewalt im privaten Raum waren und sind, werden aus der Geschichte gestrichen. Die von staatlicher Seite ausgeübte Gewalt der Hexenjagd war eine institutionalisierte Form des Femizids, die der Aufrechterhaltung männlicher Souveränität und der Kontrolle über die reproduktive Arbeit diente. Während Hebammen, die über Wissen zur Verhütung verfügten, beschuldigt wurden, schwarze Magie zu betreiben, war es für Arbeitgeber ein Leichtes, ihren Dienstmädchen, die von ihnen sexuell missbraucht wurden, die Schuld dafür in die Schuhe zu schieben. Silvia Federici zufolge war die Hexenjagd ein „Regime des Terrors“ gegen Frauen – vergleichbar mit der Bezeichnung „Terrorist*innen“ heutzutage – mit einer Rhetorik der Kriminalisierung des Ungezähmten, Unkontrollierbaren. Die Problematik liegt also nicht in der Vergangenheit, sie setzt sich bis in die Gegenwart fort. Es handelt sich dabei nicht um die Geschichte „von denen“, sondern um die Geschichte von uns allen.

Hier kommt die transformative Kraft von Tratsch ins Spiel, auf der die rituelle Performance basiert. Sowohl die destruktive Macht von böswilligem Tratsch als auch Zusammenkünfte von Frauen wurden historisch instrumentalisiert, um feminisierte Körper zu marginalisieren und sie ihrer Macht zu berauben. Im Gegensatz dazu konzeptualisiert Magic Maids Tratsch als potenzielle feministische Praxis des Aufbegehrens. Wie können wir Tratsch als kollektives Instrument des Wissensaustauschs praktisch einsetzen, um die Beschränkung und Ausbeutung feminisierter und nichtnormativer Körper zu demontieren?

Nebenbei bemerkt entsprechen die Dienstleisterinnen aus Übersee der eigenen Positionalität und Mobilität der Performerinnen als internationale Künstlerinnen von den Philippinen und aus Sri Lanka, die für europäische Institutionen tätig sind. Deshalb sagen sie ironisch zum Publikum: „Ihr braucht uns, und wir brauchen euch.“

Am Ende der Performance werfen die Künstlerinnen die Besen weg, verteilen Salz auf dem Boden und drücken dem Publikum die Besen in die Hand. Gemeinsam kehren wir den Boden: eine Einladung zur kollektiven Transformation. Der Besen, einst Symbol feminisierter Häuslichkeit, wird als materielles und metaphorisches Werkzeug der Handlungsmacht für kollektives unbändiges Aufbegehren neu erfunden.

 

 

Miwa Negoro ist Kuratorin und Wissenschaftlerin in Wien und Berlin. Sie arbeitet an der Schnittstelle von bildender Kunst, darstellender Kunst und Architektur und beschäftigt sie sich mit Performativität, der Moderne und Gegenerzählungen von Geschichten aus dekolonialen feministischen Perspektiven.

 

 
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