TQW Magazin
Ferdinand Schmatz über If What Could Be Is How Why Not von Andrea Maurer

Andre A: the text is written

 

Andre A: the text is written

Der Körper im Urzustand? Die Sprache im Urzustand?
Ihr Raum im Urzustand? Wollen wir dorthin? Zurück. Nach vor?
Jetzt ist nie?
Es geht uns um das Jetzt: the moment is short.
Jetzt ist immer!
Im Augenblick einer vor- oder postsprachlichen Unschuld? Wenn deren Möglichkeit besteht, ja. Wenn nicht, dann gehen wir an die Arbeit. An die künstlerische, wie es jene von Andrea Maurer versucht.

Die Möglichkeit des Körpers, der in sich geht. Der Sprache, die aus sich herausgeht. Und die beide mit ihren frei gesetzten Materialitäten zeigen, was Sache ist, nachdem sie die Sache herbeigearbeitet haben: the the the. Und derart handeln lassen. Spüren lassen: the snow is falling.

Also:
Denk nicht – schau!

Der geordnete Blick, konform mit der logischen Prädikation der Grammatik und der Syntax, wird gestört. Mit eigener Sprache durch die Sprache der anderen als Körper. Mit Körpern der anderen durch den eigenen Körper als Sprache.

Der eigene Muskel schreit mit der Stille des aufgerissenen anderen Mundes: the mouth is the speaker.

Der Mund macht zu, macht auf, weint ein wenig oder lächelt. Das eine gehört im anderen dazu. Die Störung der idealen Kommunikation durch Gesten, Laute, Stimmen wird als Gemeinsames erhört, ertastet und erschaut: inside the speaking.

Ja, und ins gemeinsame Schauen eingeholt und eingebunden. Das Schauen im Urzustand in der Gruppe als Ich, das aus der Kindheit (die sagt: „Hund miau“) herrührt, aber verloren gegangen scheint und nun wiedergeholt werden will: the voice is speaking.

Das Wieder-Holen dient nicht der Erholung. Das spielt nicht im Ruheraum.
Der Mund schreit in die Stille des Muskels: the speaking inside.
Oder einfacher: Er spricht nicht das, was erwartet wird, obwohl er genau das spricht, was erwartet worden war, dies aber ein wenig anders.

Diese Art der anderen Wiederholung, an sich vorerwartet und kategorisiert als das Stupide, als Automatismus etc., bringt die Ordnung durcheinander, die sonst aufgebaut wird, durch die Wiederkehr des eben nicht ganz Gleichen?

Es geht nicht um das Ewige, vielmehr um das Alltägliche, die Nachbarschaft in uns und in den Dingen und um uns alle miteinander – Mischwesen, die wir mit anderem sind; um den gestrigen Tag und den morgigen, aber noch mehr um den heutigen, die Sekunde oder den Mikromoment geht es: the curtains are hanging. the neighbor is breathing.

Einfach. Bekannt. Lapidar. Umgangs-sprachlich – das heißt: ein Gang um die Sprache herum.
Oder mehrere Gänge um diese Sprachen herum. So kommt dann der Raum heraus oder dazu oder setzt sich ab: the eye is the space.

Der Fluss zwischen diesen Ebenen, Schichten aus Sprache und Körper. Und dann der Sprung.

Ja, der Sprung. Der Satz in den Raum als Handlung des Sprungs. Nicht das Gespeicherte wird erinnert, es wird im Fluss, im Prozess des Sprungs aus Sprüngen zwischen allen Beteiligten wiedergeholt. Das ist die Wieder-Holung des Verlorenen, Gefundenen – und des Gebauten daraus.

Diese monologische Wiederholung bricht und verzahnt sich am und mit dem Handeln der anderen, aber zerbricht nicht am eigenen Automatismus sofort.

Er darf ins Spiel gebracht werden, bis er springt, der Vorhang fällt und wieder aufgeht. Und wir springen – oder ich oder du oder es springt. Etwas zerspringt dabei, zeigt sich zerbrochen. Aber die Möglichkeit des Sprungs überwindet die Bruchstellen spielerisch leicht oder auch plump steif. Erfreutes und Trauriges.

Haben wir die Wahl? Wir haben sie, wenn wir die Störung durch die anderen als befreiendes Rauschen zulassen; oder sie als Kinderhand be-greifen, die eine Schaufel nicht für die Sandkiste verwendet, sondern für einen Raumpfeiler, der sehr eigenwillig ein Buchstabe sein kann: Schaufel hin, Buchstabe her. Immer was dazu. Immer was weg.
Stabil sind da wir, die Betrachtenden, nicht. Auch wenn wir als Masse dazusitzen haben und dies wollen sollten. Wir sind nur als Masse ein Häufchen Elend, aber als Einzelne mit den anderen starke Entscheidende, da Mithandelnde oder auch passiv in den friedlichen Schlaf Treibende. Ein Kindertraum wird wahr.

Da spielt die Lautstärke keine Rolle.
Der stille Muskel schreit im lauten Mund. Aber die Laute selbst sind Wellen, knistern; oder hinten donnert ein nächster Buchstabe auf, der auf den Boden fällt und mit anderen friedliches Moos bildet, aber Wurzeln schlägt, über die auch gestolpert werden kann.

Andrea Maurer und ihre Mithandelnden ermöglichen dieses andere A, das nicht zum B werden muss, aber jederzeit auch Y sein könnte.

 

Ferdinand Schmatz schreibt Gedichte, Prosa, Essays, Hörspiele; seit 2012 Leitung des Instituts für Sprachkunst an der Universität für angewandte Kunst Wien, lebt in Wien. Zahlreiche Preise (u. a. Ernst-Jandl-Preis 2009). Publikationen (Auswahl): quellen. Gedichte (2010), auf SÄTZE! Essays zur Poetik, Literatur und Kunst (2016), das gehörte feuer. orphische skizzen (2016).

 

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