TQW Magazin
Susanne Wolfram über Trigger of Happiness von Ana Borralho & João Galante

Die Happiness junger Erwachsener… just an illusion?

 

Die Happiness junger Erwachsener… just an illusion?

Mit ihrer Produktion „Trigger of Happiness“ holen Ana Borralho und João Galante junge Menschen und ihre persönlichen Reflexionen rund um das Thema Glück und Glücklichsein vor den Vorhang. Laut ist das und bunt und familiär, und es löst zunächst so gar keine Glücksgefühle aus – zumindest nicht beim Publikum.

Das Tanzquartier Wien reiht sich mit dem Experiment, das Künstler*innenduo mit zwölf jungen Lai*innen zusammenzuspannen und nach nur sieben Tagen Probe ein neunzigminütiges Stück auf die Bühne zu stellen in eine große Zahl weiterer bedeutender Häuser und Festivals in Europa ein.

Borralho und Galante gehören zu jenen Künstler*innen, die der Ansicht sind, die gesellschaftspolitische Relevanz ihrer Kunst, also deren Potenzial für Empowerment und Transformation, entspringe der direkten Kommunikation mit Menschen. In diesem Sinne versteht Galante auch die Einladung, mit „Trigger of Happiness“ ein Stück zu bauen, das Teenagern „eine Stimme geben soll“.

Unterrepräsentierte Gruppen auf die Bühne zu holen und so deren Perspektiven und im Idealfall auch neue künstlerische Handlungsfelder zu erschließen ist eine interessante und sehr verantwortungsvolle Aufgabe. Und eine sehr zeitgeistige!

Nun kann kulturelle Partizipation viele Motivationen haben: Vergrößerung des Publikums und Erschließung neuer Zielgruppen (Audience Development), Bildung im demokratisch-zivilgesellschaftlichen oder künstlerischen Sinn (Pädagogik), Förderung der Kreativindustrien (unternehmerische Logik), Kampfansage gegen Strukturen, die Ungleichheit erzeugen (soziale Arbeit), und nicht zuletzt die Stabilisierung und Legitimierung der Kulturinstitutionen selbst.

Partizipative Kunstproduktion birgt allerdings auch viele Fallstricke. Hanne Seitz, Professorin für Theorie und Praxis ästhetischer Bildung an der Fachhochschule Potsdam, diagnostiziert angesichts der gesellschaftspolitischen Erfahrung von Ohnmacht und Ausschluss im gesellschaftlichen Alltag vielerorts einen Etikettenschwindel bei derartigen Projekten.[1]

Freilich bedeutet eine Stimme zu haben auch nicht automatisch, auch den Inhalt der Rede zu bestimmen. Den zwölf jungen Erwachsenen, die am 9. November zum ersten Mal auf den Brettern der TQW Halle G dem Wiener Publikum ihre Assoziationen und Zugänge zum Thema Glück präsentiert haben, ist weder ihre erstaunliche Bühnenpräsenz noch die Authentizität abzusprechen.

Den Künstler*innen, die mit ihnen gearbeitet haben, könnte man jedoch vorwerfen, dass sich der „Dienst an der Gesellschaft“, den beide im Interview als Definition ihrer Arbeit heranziehen, nicht auf den ersten Blick erschließt.

Die Bilder, die die jungen Darsteller*innen aneinanderreihen, erzählen von kindlichen Ängsten, sozialen Widrigkeiten des Heranwachsens, dem Umgang mit erkrankten Elternteilen, von Liebe, Freundschaft, Sexualität, Drogen und Suizidversuchen.

Der Prozess der Identitätsfindung ist nachvollziehbar. Identität entwickelt sich im Aushandlungsprozess mit bzw. in Abgrenzung zu anderen. Dass die Gruppe in kürzester Zeit großes Vertrauen und gegenseitige Wertschätzung entwickelt hat und den teilnehmenden Jugendlichen Reflexion und Identitätsfindung in der Gruppe ermöglicht worden sind, ist evident und sicher wichtig. Gehört dieser Prozess aber so schon auf die Bühne?

Seitens der Künstler*innen wurde die Arbeit der Teilnehmenden durch wenige Effekte gerahmt. Stampfende Beats, denen man sich kaum entziehen kann, Fotos, die den Blick in Jugendzimmer und Hinterhofperspektiven enthüllen, und ein rotierender Revolver, mit dem russisches Farbpatronen-Roulette gespielt wird. Man versteht die Absicht, durch dieses Zufallsprinzip die Dynamik des Spiels auch für die Darsteller*innen lebendig zu halten. Als Regiearbeit ist es zu wenig.

Partizipatorische Kunstprojekte, die sich auf konkrete gesellschaftliche Phänomene beziehen und einen spezifischen kulturellen oder sozialen Istzustand – in unserem Fall den Blick junger Menschen auf das persönliche Lebensglück – aufgreifen, bedürfen einer speziellen Übersetzungsleistung durch künstlerische Profis, um diskursiv und kollaborativ verhandelt zu werden.

Was hier präsentiert wurde, ist ein Anfang. Die eigentliche Arbeit an einer künstlerischen Erzählung und das Aufgreifen der gesellschaftlich relevanten Fragestellung nach dem Happiness-Begriff der Jugend stehen am Premierenabend noch aus.

 

Susanne Wolfram arbeitet als Veranstalterin, Dramaturgin und Kulturvermittlerin an der Schnittstelle von Kunst, Wissenschaft und Gesellschaft und lehrt u. a. am Institut für Kultur­konzepte, der Musik und Kunst Privatuniversität der Stadt Wien (MUK) und der New Design University St. Pölten. Sie promoviert an der Universität Hildesheim zum Thema „Kulturelle Teilhabe und partizipative Stadtentwicklung“.

 

[1] Hanne Seitz, Modi der Partizipation im Theater: Zuschauer bleiben, Publikum werden, Performer sein… in Kulturelle Bildung Online: https://www.kubi-online.de/artikel/modi-partizipation-theater-zuschauer-bleiben-publikum-werden-performer-sein (2015, letzter Aufruf: 26.09.2018)

Alle Beiträge im TQW Magazin

 

 

 
Loading