TQW Magazin
Mirela Baciak über Notebook von Alexandra Bachzetsis

Don’t We Look A-Like

 

Don’t We Look A-Like

Während ich im schwachen Licht des Theatersaals sitze und Alexandra Bachzetsis’ Notebook vor meinen Augen auf der Bühne Gestalt annimmt, meine Blicke zwei Körpern in Bewegung folgen, die einander beinahe zu keinem Zeitpunkt direkt anschauen und deren Selbst sich in der gespiegelten Form des Gegenübers manifestiert, verspüre ich den seltsamen Drang, ebenfalls in den Körpern anderer nach mir selbst zu suchen. Ein Gefühl, das nicht unbedingt von Sehnsucht getrieben ist, sondern eher von einer widerwilligen Notwendigkeit.

Die beiden Performer*innen in Notebook tragen kunstvoll ineinander verschlungenes Denim. Ursprünglich ein von der Arbeiter*innenklasse getragener, robuster Stoff, ist Denim zu einer festen Größe in der Anti-Establishment-Mode geworden. Diese Entwicklung nahm ihren Anfang in einer Zeit, in der Jeans als Symbol der Jugendrebellion und später der Frauenbewegung galten, und ist Ausdruck sich verändernder Wahrnehmungen von Geschlechternormen. Die Denim-Posen der Performer*innen erinnern nicht nur an dieses Erbe, sondern formulieren es auch neu, was auf eine Beschäftigung mit Themen wie Identität und Widerstand hinweist.

Auf der Bühne befindet sich auch eine Beobachterin der besonderen Art – eine Kamera, deren Objektiv die Performance zeitweise einrahmt. Zwei Screens sind ebenfalls Teil des Bühnenbilds. Einer davon ist sonderbar gebogen und verzerrt dadurch meine Sichtweise, was das Augenmerk auf die Mittelbarkeit der Realität und die Manipulation, die der performativen Darstellung des Selbst innewohnt, lenkt.

Notebook bricht mit der Kontinuität linearer Zeit und fängt einen unbeständigen Rhythmus ein, der den chaotischen Fluss von Erinnerungen (oder Momenten) des dargestellten Selbst nachahmt. Es ist eine Ansammlung von Bewegungen, Posen und glitches – von denen einige mit Bezügen auf die Welt der Modefotografie, sowie auf die In- und Extimitäten[1] von Sex im Allgemeinen, aber auch auf die ausgeschnittene Hose von VALIE EXPORT (Genitalpanik), auf die Hebefigur aus Dirty Dancing oder auf den Twist von Vincent und Mia in Pulp Fiction im Besonderen gespickt sind.

Sie sind die Codes des Selbst, das von ästhetischen Bewegungsnormen geprägt ist. Sie spielen mit Ähnlichkeit und Einverständnis ebenso wie mit der Dynamik von Kontrolle und stellen die Frage, ob Authentizität überhaupt existieren kann, wenn unsere Körper ständig durch den Filter dessen betrachtet werden, in dem wir uns spiegeln.

Notebook beschäftigt sich demnach auch mit dem Spektrum an Einschreibungen von Informationen in unsere Körper und lebt von den Zitaten der Gesten, die uns prägen. Was sind das für Bewegungen, die scheinbar auf uns übertragen werden und die wir dann weitergeben? Stehen sie stellvertretend für idealisierte Vorstellungen davon, was ein Körper sein soll?

Um in der Kunst als authentisch angesehen zu werden, wird von Künstler*innen oft erwartet, einen Nachweis über ihre eigene Herkunft in Form ihres Selbst zu erbringen, das einzigartig und unverwechselbar, aber gleichzeitig universell verständlich ist. Ein solcher Moment tritt im Stück ein, als Alexandra ein Lied auf Griechisch singt (das ich nicht verstehe), das ihre Identität in diesem Augenblick belegt. Und lustigerweise erkenne ich mich in diesem Moment des Nicht-Verstehens in dem Spiegel wieder, den Bachzetsis uns vor Augen hält.

 

[1] Vgl. Jacques Lacans Konzept der „Extimität“, einer „intimen Äußerlichkeit“, die eine unergründliche Beziehung zwischen Intimität und Ausgrenzung darstellt, eine entfremdete Bindung an die*den Fremden in uns.

 

Mirela Baciak ist Kuratorin im Bereich der bildenden Künste mit Wurzeln im zeitgenössischen Tanz. In ihrer kuratorischen und schriftstellerischen Praxis interessiert sie sich für das Herstellen von Verbindungen zwischen Körpern, Objekten und Raum sowie Konzepten, Ideen und anderen Körpern, bei denen Distanz relativ ist. Derzeit ist sie Direktorin des Salzburger Kunstvereins.

 

 

 
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