TQW Magazin
Gin Müller über Heavy Duty von Luca Bonamore

Fit for queer masculinity?

 

Fit for queer masculinity?

In der neuen Performance Heavy Duty erkundet Choreograf und Tänzer Luca Bonamore gemeinsam mit Performancepartnerin* Fran Klein das Fitnessstudio als queeren Möglichkeitsraum.

Fitnessstudios als Live-Begegnungsräume von Körpern im Training sind sozial unterschiedlich codierte Räume, in denen diverse Communities aufeinandertreffen. Zum Teil sind sie nach Klasse und Geldmöglichkeiten zwischen Luxusfitnessstudios und Volks-McFits aufgeteilt. Daneben gibt es aber auch viele Nischen wie spezielle Fitnessstudios für Frauen oder das von vielen schwulen Männern besuchte John Harris. Das Gym ist ein Ort der Widersprüche und der Inklusion, aber auch der Exklusion und der Scham. Die Unfitten und die älteren Körper im Verfall gehen besser zum Kieser Training …

Der Kult um Fitness und Körperoptimierung überschwemmt schon seit einiger Zeit TikTok und Instagram. Selbsternannte „Menfluencer“ beschwören auf diesen Plattformen eine maskuline Gym-Community, die toxische Männlichkeit, Queer- und Frauenfeindlichkeit über exzessive Körperkultur auslebt. Das Fitnesscenter ist ein Ort des Körpervergleichs, in dem der durchtrainierte Körper und speziell Maskulinität zelebriert werden. Es ist aber auch ein Ort der Homoerotik, queerer Begehrensströme und manchmal auch eine „cruising zone“ (ein öffentlicher Ort, an dem nach anonymem Sex gesucht wird).

Luca Bonamore beschäftigte sich in seinen letzten Arbeiten in unterschiedlichen Kontexten und Orten mit dem Thema Cruising, das aber in dieser Gym-Performance eher einen Möglichkeitsraum bietet und weniger die Beziehungsweisen betrifft, die die Performer*innen an dem Abend durchlaufen. Die Tanzperformance Heavy Duty nimmt mit ihren choreografischen Abläufen, akrobatischen Übungen und Bewegungsnarrativen mehr die Schwellen von Körperbegehren und die Zwischenräume queerer Kultur im Fitnesscenter in den Fokus. Was beschreibt Nähe, Distanz, Anziehung, Dominanz, Muskel-/Machtspiele und Körperkultur im Gym? Zunächst trainiert „man“ ja für sich allein, um gesund und fit zu sein, aber im öffentlichen Begegnungsraum Fitnesscenter geht es auch um das Posing, um eigene und fremde Körper- und Muskelbeschau, um den Blick, den „Gaze“, im Vergleich mit den anderen.

Ein Stangengerüst (Bühnen-Rig als Turnreck) zieht sich auf der rechten Seite der Bühne von der Decke bis zum Boden. Die linke Bühnenhälfte teilt ein raumhoher Vorhang aus transparent-orangen Plastikbahnen, davor steht eine Gogo-Stange. Fitnessgeräte sind auf der Bühne nicht zu finden.

Die sichtlich durchtrainierte Performerin* Fran Klein (Selbstbezeichnung „Dyke“) betritt den anfangs stillen Raum und startet im Sitzen mit Hüftöffnungsübungen und Posing; repetitive, ritualhafte Bewegungen zu immer rhythmischer werdenden Echo-Beats (Musik live auf der Bühne von Zosia Hołubowska). Luca Bonamore erscheint im knappen Ringertrikot und beginnt mit einer ähnlichen Routine. Die sportlichen Fitnessrituale beginnen sich zu überschneiden, genauso wie sich die Blicke beim Training und Posing immer wieder treffen. Es ist ein Zu- und Wegschauen, ein Umeinander-Herumtänzeln und dann wieder ein Für-sich-Sein. Es ist auch ein Abchecken der Körper über spielerische Sporthandlungen und „Bro“-Rituale, und so wird der hin- und hergeworfene, weiß staubende Magnesiumball zum Hilfsmittel für Annäherungsversuche, Distanzierungen und Begehren.

Zwei wunderschöne, fitte queere Körper, die keine toxische Männlichkeit, sondern alternative Maskulinitäten verkörpern, spielen mit Fitness und Erotik. Sie arbeiten sich nicht am selbstverliebten Muskelmann ab, sondern zitieren diesen höchstens subversiv und humorvoll. Zu minimalistischen Techno-Sounds vibriert der Begehrensaustausch im Training von Anziehungskräften und Muskelaufbau. Dazu braucht es keine Worte oder kommentierenden intelligenten Text. Was zählt, sind eine energetische Dynamik aus Balance und Bewegungsfluss, ein Spiel mit Codes und gegenseitigem Vertrauen, queere Bewegungen, die „hot“ sind, aber auch Männlichkeitsrituale und Machtspiele hinterfragen. Es sind rhythmische, muskulöse und musikalische Körper, die tanzen und performen; die stolz, sensibel und verletzlich sind. Neben Catch-Spielen und „Bro“-Ritualen thematisieren die Performer*innen die Erotik von Gerüststangen, den Wechsel von Dominanz, Aktiv/Passiv-Situationen an der Schwelle zu Grenzüberschreitung und Verletzung und auch die gemeinsame Erschöpfung der Körper miteinander und einzeln für sich.

Das Ende ist melancholisch. Luca Bonamore zitiert und singt am Schluss hinter dem Vorhang sehr liebevoll den legendären Song der Riot-Grrrl-Punkband Bikini Kill:

That girl thinks she’s the queen of the neighborhood
She’s got the hottest trike in town
That girl, she holds her head up so high
I think I wanna be her best friend, yeah
Rebel girl, rebel girl

Das „rebel girl“ ist vielleicht auch eine prekäre Zuschreibung in dem queeren Möglichkeitsraum, der auch das (un-)mögliche Begehren von „dyke“ und „fag“ verhandelt.

Nach dem Stück habe ich mich noch gefragt: Wie kann ein Gym für queere und tin (trans_inter_non-binary) Menschen ein Safe Space sein? Denn nur wenige tin Menschen, die ich kenne, gehen ins Fitnessstudio. Das Stück beantwortete die Frage nach den verschiedenen Diskriminierungsformen nicht, zeigte aber queere Anziehungs-, Begehrens- und Möglichkeitsräume auf.

 

Gin Müller, queer Ar/ctivist, lebt und arbeitet in Wien. Er macht seit vielen Jahren Performance/Theaterprojekte im brut Wien. Daneben lehrt er an der Universität Wien und der Akademie der bildenden Künste Wien.

 
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