TQW Magazin
Christiane Czymoch über SOILED von Michael Turinsky

From Soundscape to Landscape – ein Universum aus Wasser, Worten, weichem Fleisch

 
Auschnitt eines Körperteils welches mit einer dunklen, gelb-grünen Flüssikeit überzogen ist

From Soundscape to Landscape – ein Universum aus Wasser, Worten, weichem Fleisch

Aus dem Dunkel die ersten vorsichtigen Worte mit dem ersten schwachen Licht. Drei Menschen, eng beieinander, beschreiben wechselnd, überlappend, fließend, was an diesem Abend noch nicht geschehen ist, verschränkt mit längst Vergangenem. Kindheitserinnerungen und das Gesicht versenkt im anderen, Großvaters Schiffsreise und die erdende Schwerkraft. „I once dated that mermaid.“ Das Fantastische vermischt mit frischem Schweiß. Nicht auszumachen, ob sie miteinander sprechen oder gegeneinander an, gegen etwas, um zyklisch und nah das aufrecht Geordnete zu durchkreuzen.

„Here we are. We, the humans. We, the crip animals.“ Michael Turinskys Stimme übernimmt, verliest wie einen Gruß der Selbstvergewisserung The Soiled Manifesto aus dem Off. „We, the ones expelled from the oceanic womb.“ Dieses ausgespiene Wir geht auf eine traumähnliche Reise zurück hinein in den Schweiß, den Nebel, den Regen, die Pfützen, einen See, das offene Meer. In Öl. Die drei Performer*innen, geworfen, umspielt und getragen von Wasser aus Worten, in einem aufblasbaren Universum mit einem Kraterrand zum Schutz, der auch Begrenzung ist. Die Körper offen, weich, kürbiskernöl-glitschig und doch nicht frei von Widerstand, halbnackt, in Vibration und brechender Bewegung, aufeinander zu und voneinander weg. Gekleidet ins Gewebe einer neuen Stimme, die uns bis zum Schluss nicht verlassen wird, die rhythmisch Landschaften heraufbeschwört und auf den Körpern, an ihnen entlang und über sie hinweg Spuren legt wie Fußabdrücke in feuchter Erde. Manches Mal unklar, ob sie vorauseilt, wer wem nachfolgt. Raum und Bewegung, die Worte werden, und Worte wieder Bild. Zum tropfenden Beat des Öls von der Decke mischt sich ein dumpfer Bass. Und oben schwebt golden ein Tuch, gewölbt und geädert, die Kürbissonne, die alles wärmt, alles nährt.

Wie spielende Kinder sind sie dem Boden näher als dem aufrechten Gang, gleiten, schlittern und matschen, pulsieren, streben empor und sinken zurück. Freudvoll verspielt und im Kampf mit sich selbst, „all three on their own island“. Ihre eigene Insel, geschützt und doch von Wellen und Strudeln umspült. Mit den Gezeiten spielend, von den Gezeiten gespielt. Jede Leichtigkeit der Bewegung gezeichnet auch von einem Riss. So zeigt sich das Apokalyptische in der Lust, das Utopische im atmenden, zuckenden Leib.

Noch einmal fährt der Bass in die Brust, dann füllen Stille und Atem den Raum. In liebkosendem Gleiten prüfen sie die Ränder ihrer öligen Plastikwelt, hinauf und hinab am Krater, aber nie darüber hinaus. Intimer Kontakt zu den eigenen Grenzen und jenen von außen gesetzten, zum Universum darin, nicht ohne die Frage, was da draußen noch ist. Die äußeren Grenzen, den einen zum Schutz, den anderen zum Gefängnis.

Sanfter Gitarrensound, „galaxies realigned […], three islands like a puzzle fit side by side“. Fleischig-weich versinken die Körper ineinander, ein Kopf schmiegt sich in einen Schoß. Jemandes Zittern bestimmt die Frequenz, die alle Körper erschüttert, bis sie eine gemeinsame wird. Warme Leiber in Vibration, wie Sex, wie Zerebralparese, wie Stolpern, wie Zorn, wie Ekstase. Viszeraler Dialog im Fluss, Gleichklang ohne Synchronizität. Der stille Entwurf eines anderen gemeinsamen Seins, die Erprobung des Aufstands zu dritt.

Zum Abschied der Ausstieg dann doch, eins, zwei, drei. Die Erste allein, dann folgen zwei nach. Die Grenze überwunden, in den Rand des Universums getaucht. Und dann? Beinah leblos rutscht ein letztes Paar Beine ins Schwarz. Der Bass wie ein Herzschlag bleibt mit uns im Dunkel zurück. Und im eigenen Körper, unter der Haut, schwingt nach, was da jenseits von Sprache berührt. Bodennähe als Verbindung zur Welt, durch diese hindurch zum Organischen zurück, nicht in Worte zu fassen, nur in kleine Erschütterungen übersetzt.

 

Christiane Czymoch schreibt Lyrik und Prosatexte, beschäftigt sich in einem theaterwissenschaftlichen Dissertationsprojekt mit der Verknüpfung von Ästhetik und Politischem, der Performativität von Utopien und arbeitet außerdem im Bereich der medialen Barrierefreiheit, derzeit vor allem als Untertitlerin und Schriftdolmetscherin.

 

 
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