TQW Magazin
Michael Bastiani über Rakete

Houston, der Start war erfolgreich

 

Houston, der Start war erfolgreich

(1. Teil): Hope Hunt & The Ascension into Lazarus von Oona Doherty, Some von Andrea Zavala Folache, Knuckles become clouds (Skizze) von Anna Prokopová, Costas Kekis and Andrea Gunnlaugsdóttir

Am 3. Mai feierte nicht nur ich mein Debüt – das erste Mal bei einem Performanceabend –, sondern auch das Festival Rakete im Tanzquartier Wien. Der Abend war in drei verschiedene Einzelperformances unterteilt, welche sich nacheinander zutrugen und mir einen sinnbildlichen Raketenstart mit seinen drei Antriebsphasen suggerierten.

Das erste Kerosinbündel trug den wohlgewählten Namen Hope Hunt & The Ascension into Lazarus und wurde von Oona Doherty aus dem Kofferraum eines Opel Corsa heraus gezündet. Mit manischen, rohen Bewegungen und dem harschen Umgangston eines irischen Straßenjungen verkörperte sie die scheinbar aussichtslose Realität auf den Straßen der Problembezirke europäischer Groß- und Kleinstädte, um dann mit elegant-anmutigen Pirouetten und an klassisches Ballett erinnernden Posen einen Schimmer Hoffnung durch die Nebelbank scheinen zu lassen. Diese Thematik der Hoffnung und der Auferstehung drückte sich gegen Ende in einem Kostümwechsel aus, der die Tänzerin ganz in Weiß hüllte. Ein gelungener Ausflug in die chaotische Emotionswelt eines perspektivlosen Heranwachsenden.

Der nächste Brenner der Rakete wurde nach einem kleinen Locationwechsel zur zweiten Bühne gezündet. Some präsentierte das aufwändigste Bühnenbild der drei Raketenvorstellungen. Andrea Zavala Folache bediente sich eines breiten Repertoires von Medien und Ausdrucksmöglichkeiten, um mich in ihren Bann zu ziehen: das Spiel mit dem Licht und der Betonung körperlicher Erotik, leise, schon fast freundliche Worte ans Publikum, das Verbiegen des Körpers, der Einsatz von Farbe auf einer Leinwand und der eigenen Haut, abgeschnittene Haarzöpfe, befestigt an ihrer Kleidung, das Spiel mit Mikrofon und Kamera und das knappe, figurbetonte Outfit – Fragmente einer sehr vielschichtigen und breitgefächerten Performance, in der von Malerei bis Gesang nichts zu kurz kam. Reizüberfluss. Durch das sehr rasche Aufeinanderfolgen von verschiedenen Performancetechniken und Medien entstand ein Gefühl von Chaos und Verwirrung. Das abstrakte Bühnengeschehen ließ das Publikum im Dunkeln tappen.

Die letzte Performance des Abends wurde vom Trio Anna Prokopová, Costas Kekis und Andrea Gunnlaugsdóttir geformt und trug den Namen Knuckles become clouds (Skizze). Eingesummt wurde ihre Performance durch ein wiederkehrendes „Mmh“, gefolgt von ähnlichen sprachlichen Gehversuchen, welche dann in drei unzusammenhängenden Sätzen mündeten. Es schien, als würden sie aneinander vorbeireden. Dasselbe Gefühl überkam mich, als das Trio in schüttelnde Bewegungen verfiel und versuchte, sich gegenseitig näherzukommen. Sie berührten sich wohl, allerdings blieb es bei dem Versuch, soziale Nähe herzustellen, als dass diese geglückt wäre. Vielleicht ein Statement an die Digital Natives und unsere Unfähigkeit, miteinander zu kommunizieren in einer Welt der ständigen Kommunikation. Da es sich beim Stück um eine Skizze handelte, kann das Fehlen eines doch begehrten Höhepunktes nach einem solchen Spannungsaufbau verziehen werden. Jedenfalls sprach das Stück für mich essenzielle Diskussionspunkte der modernen Gesellschaft an und bildete einen schönen Denkanstoß für darauffolgende Gespräche zum Ausklang eines wundervollen Kulturabends. Houston, der Start war erfolgreich.

 

Dieser Text entstand im Rahmen einer Kooperation mit dem Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft der Universität Wien (Dr. Olga Kolokytha).

 

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