Monster macht Mensch
Die Premiere von FRANK von Cherish Menzo fand nicht einmal 150 Meter entfernt von einer von der Wiener BIPoC Community organisierten Mahnwache im Gedenken an Lorenz A. statt, der vor einigen Tagen in Oldenburg in Deutschland von der Polizei von hinten erschossen worden war. Als jemand, die an den Knotenpunkten von Kunst und sozialer Gerechtigkeit arbeitet, hätte ich nicht einmal die Bedeutung dieser Nähe an sich inszenieren können oder überhaupt hervorheben, wie wichtig künstlerische Äußerungen wie diese sind. FRANK ist ein Kommentar zur Gewalt, die Schwarzen Körpern im globalen Maßstab widerfährt, aber auch ein Mittel, die bloße Verarbeitung auszuloten. Diese zeitgemäße und schmerzhaft relevante Performance war nicht weniger schwer zu begreifen als das, was direkt außerhalb der Annehmlichkeiten des MuseumsQuartiers stattfand.
In der Volksschule geriet ich in Schwierigkeiten, weil ein junges weißes Mädchen sich beschwerte, dass ich ein Gesicht geschnitten hatte, das sie ängstigte. Es war wahr, ich hatte ein Gesicht geschnitten. Mir war aufgefallen, dass sie oft im Pausenhof stehen blieb und mich anstarrte – und, na ja, wir waren Kinder, ich griff zu diesem Mittel, um auf ihr Eindringen in meinen Bereich zu reagieren. Doch die Anschuldigungen, dass sie sich vor mir fürchtete, gingen so weit, dass die Schuldirektorin meine Mutter zu sich bestellte – eine Alleinerziehende, die ihre begrenzte Zeit ohne Zweifel für bessere, dringendere Dinge aufwenden konnte –, um ihr zu erklären, wie erschreckend das für das Mädchen war und dass ich sofort damit aufhören solle, da ich sonst Strafe oder Schulverweis zu gewärtigen habe. Weder das Verlassen der Schule noch der Rauswurf waren in unserem Haushalt mit geringem Einkommen gangbare Optionen, daher war klar, dass ich aufhören musste, das Mädchen als gleichberechtigt zu behandeln, auf einer Stufe mit mir und ebenfalls mit einer Rolle in diesem Spiel, und sie stattdessen als Opfer dessen zu sehen, was weithin als meine „Schaurigkeit“ angenommen wurde. Folglich war es Angst vor ihr, die mich noch Jahre später verfolgte.
Ich erinnerte mich zum ersten Mal seit Langem wieder daran, während ich FRANK anschaute. Die Grimassen der Performer*innen, wie jene, die ich gemacht hatte, haben, wenn sie als „schrecklich“ erachtet werden, eine andere Art der Verzerrung durch eine bestimmte Art von Monster erfahren. Dies sind die Ausdrücke von Schmerz und Qual von jenen, die verhöhnt und terrorisiert, gehetzt, überwacht, verletzt und geschädigt werden. Ich notierte schnell etwas in meinem Handy, als meine Partnerin und ich die Vorführung verließen; etwas, das mir die ganze Zeit im Kopf herumgeschwirrt war: „Der Schrecken sind nicht wir, er geschieht uns. Der Schrecken ist nicht im Monster, sondern in seinem Schöpfer.“
Es ist kein Zufall, dass die Leute Jahrhunderte später immer noch das Monster, das in Mary Shelleys Roman passenderweise namenlos bleibt, mit (Victor) Frankenstein, dem Wissenschaftler und Schöpfer der Kreatur, verwechseln. Monstrositäten gegen Schwarze Körper werden ständig ausgeführt – und um es klarzustellen: unverhältnismäßig häufiger gegen dunkle, behinderte, queere und trans Schwarze Körper –, und zwar als Ergebnis derselben Wurzel: der Arroganz und Ignoranz der White Supremacy. Unsere Schwarzen Leben werden allzu oft von jenen in die Hände genommen, die nach Gutdünken bestimmen, ob wir Untermenschen oder Übermenschen sind; und beide Sichtweisen können tödliche Folgen haben. Das ist verschleierte Gewalt, die durch Angst gerechtfertigt wird.
Um dies hervorzuheben, spielt FRANK mit Zeitlichkeit. Da gibt es Zeitlupe, Stille und Innehalten zwischen aufgekratzten, freudigen, lebhaften Momenten, um, wenn wir es können, die ständigen Pannen und Zusammenbrüche in einem bereits zerbrochenen System zu ergründen. Das Abreißen des Schwarzen Lebens ist so abrupt und gewalttätig, dass wir im Schwindel, im freien Fall, im Schock verbleiben. Die Bühne ist als Operationstisch angelegt, den zuschauenden Patient*innen einsehbar durch transparente Spitalsbettenvorhänge in Frankensteins Operationssaal. Das Plastik, die weißen Böden, die Uniformen des Pflegepersonals – oder sind es Totengräber*innen? – begraben ihresgleichen, bevor sie die zergliederte und wieder eingegliederte Gruppe von Flickstücken bilden. Die de-platzierten und wahllosen Bewegungen der Performer*innen in dieser Formation sind umwerfend und erinnern daran, wie Schwarze Menschen als homogen, entbehrlich, ersetzbar, als Ganzes geteilt und beherrscht, durch die Linse der Rassifizierung unbeholfen zusammengeflickt gesehen werden – ein Blick, um den sie nie gebeten haben.
Als britische Jamaikanerin hörte sich für mich die verlangsamte A-cappella-Version von Sister Nancys bahnbrechendem Song BAM BAM seltsam vertraut und doch anders an: als würde er besser als Begräbnismusik passen. Klang teilte die Schrecken mit, die wir miterlebten, vielleicht noch tückischer als das, was wir sahen. Das Scharren der Füße auf diesem Todesmarsch in Wiederholung rund um die Bühne war in ein Bassgewimmel eingebettet, das die Wände zum Antworten brachte. Und das Stück sprach. Die Worte, projiziert auf Englisch, Französisch und schließlich Patois/Pidgin, waren ein letzter Versuch, das Unaussprechliche zu sagen: Sie töteten sogar ein „Pikin“, ein Kind. Das ist für Lorenz A. und all die Schwarzen Körper, die verschiedene Formen des Genozids und psychologischer Monstrositäten erleiden, die gegen uns begangen werden, aber uns fälschlich als Monster darstellen.
Tonica Hunter (dey/sie) ist eine aus London stammende und seit 2014 in Wien lebende Kuratorin, Dozentin und DJ. Ihre Arbeit verknüpft Kuratieren (Musik, Performance, Diskurs, visuelle Medien) und Lehren mit einem Hauptaugenmerk auf Kunst und angewandter sozialer Gerechtigkeit. Tonica Hunters Arbeit erstreckt sich über Institutionen und Organisationen wie die MDW – Universität für Musik und darstellende Kunst Wien, die Angewandte, Ars Electronica, Wellenklænge, Wiener Festwochen, das Österreichische Museum für Schwarze Unterhaltung und Black Music u. a. tonicahunter.com