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Beine, Knick, Bauch, Knick, Mähne, Knick, Kopf

PARASOL Logbook II

 

PARASOL Logbook II

Mit PARASOL – eine Tanzgruppe des TQW haben wir ein hybrides künstlerisches Fortbildungsprojekt, das sich an junge Tänzer*innen richtet, gestartet. Jedes Jahr werden zwei renommierte Choreograf*innen mit einer von ihnen ausgewählten Gruppe von fünf jungen Tänzer*innen je drei Monate ein Stück erarbeiten. Das PARASOL Logbook wird in unregelmäßigen Abständen Einblicke in die Arbeitsprozesse der Gruppe geben. Die Texte von Gianna Virginia Prein und Fotos von Marcella Ruiz-Cruz begleiten die Proben für die Performances mit Ian Kaler im Frühling 2022 und mit Alix Eynaudi im Herbst 2022, dokumentieren und portraitieren aber auch darüber hinaus das Projekt und seine Teilnehmer*innnen: Alex Bailey, Camilla Schielin, Júlia Rúbies Subirós, Shahrzad Nazarpour, Theresa Scheinecker. 

 

08.04.2022
Studio 2, kurz bevor es in die Halle G geht

An der Wand hängen unproportionale Pferdezeichnungen. Die Playlist dröhnt, der Zeitdruck ist spürbar. Vier Wochen vergehen schnell, wenn sie von Ausfällen geprägt sind, die vollständige Gruppenprozesse erschweren.

Júlia, Alex, Shahrzad, Theresa. Frontalblick auf die Probenden: Ihre geradlinige Körperspannung wird punktuell gebrochen, bis fallende Ausgleichsbewegungen folgen. Ian, Dafne (Video), Stephanie (Raum), Viktor (Licht), die verletzte Camilla und ich schauen in dieselbe Richtung auf einen ersten, 38-minütigen Durchlauf. Mehr und mehr spaltet sich das Studio in Bühnenraum und hausinternes Auditorium; durch Requisiten, hängende Projektionsflächen und die Arbeit der Performer*innen nimmt Ecto-Fictions langsam Gestalt an. Leder mit Ziernähten, cremefarbene Kostümteile, Jeans, Stiefel und Chaps zitieren Westernromantik und runden das Gesamtbild ästhetisch ab. Die bunt leuchtenden Zügel wurden von der Gruppe weitergeknüpft; sie liegen parallel zueinander auf dem schwarzen Tanzboden. Stephanie arrangiert sie, bevor sie zu ihrem AutoCAD-Bühnengrundriss zurückkehrt und klickt. Ians Anweisungen sind präziser als zuvor, sein Bild des Stücks scheint geformter, als er die Struktur kurz zusammenfasst und vorzeigt, wie Beine und Arme sich überlappen sollen. Das Körpermaterial, das sich in den Awareness-Übungen der letzten Wochen gesammelt hat, wird jetzt geschliffen. Reißendes Zittern, Kräfteausloten, die Sohlen am Boden abstreifende Climbers und die ständige Erinnerung: to „Push-Pull“ – immer wieder erkenne ich verzerrt gedehnte Fitnesszitate, Interpretationen der für Ian typischen Bewegungen. Es sind Versuche, das, was über Wochen im Training verinnerlicht wurde, gemeinsam nach außen zu bringen.

Bevor ich das Studio 2 verlasse, schaue ich noch kurz zu den Pferden. Erst als ich unmittelbar vor den Zeichnungen stehe, sehe ich die horizontalen Falten im Papier, die die Tiere in ihre Körperabschnitte unterteilen, und die unterschiedlichen Zeichenstile zwischen den einzelnen Bereichen.

Ians Worte zu Probenschluss: „Now, you got a glimpse of my world. Let’s see what is your individual trajectory through it.“

 
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