News
Flesh to possibilities

PARASOL Logbook IV

 

PARASOL Logbook IV

Mit PARASOL – eine Tanzgruppe des TQW haben wir ein hybrides künstlerisches Fortbildungsprojekt gestartet, das sich an junge Tänzer*innen richtet. Jedes Jahr werden zwei renommierte Choreograf*innen mit einer von ihnen ausgewählten Gruppe von fünf jungen Tänzer*innen je drei Monate ein Stück erarbeiten. Das PARASOL Logbook wird in unregelmäßigen Abständen Einblicke in die Arbeitsprozesse der Gruppe geben. Die Texte von Gianna Virginia Prein und Fotos von Marcella Ruiz-Cruz begleiten die Proben für die Performances mit Ian Kaler im Frühling 2022 und mit Alix Eynaudi im Herbst 2022, dokumentieren und porträtieren aber auch darüber hinaus das Projekt und seine Teilnehmer*innen: Alex Bailey, Camilla Schielin, Júlia Rúbies Subirós, Shahrzad Nazarpour, Theresa Scheinecker. 

5.12.22

Entscheidungen zum Stück werden teils gemeinsam, teils von jede*r für sich getroffen. Welches Material wird eingesprochen, gedruckt oder angezogen? Alix stellt ihre Kostüme aus den letzten elf Jahren zur Verfügung, ihre Bücher und Referenzen. Es ist wie eine Alix-Fundus-Bubble, in der Camilla, Shahrzad, Alex, Theresa und Júlia aus sich heraus entwickeln dürfen, durch die sie zu einem bunten Ganzen aus lauter Soli werden.

9.12.22

Die Soli sind individuell erarbeitet, einstudiert, zusammengesetzt, aufgenommen. Zu jedem Durchlauf, jedem Abschnitt macht sich Alix Notizen, die sie unverblümt mit der Gruppe teilt. Allein betrachtet wirken sie vage, verbunden mit den Bewegungen sind sie allerdings äußerst präzis. Sie sprechen ein Dazwischen an, das feinfühlig begutachtet wird, etwa so oder so ähnlich:

„This is the end so better be good“ [Alix lacht]
„Pas dans le vague – the eyes“
„You are very much with your hands, also think of your elbows“

Außer um bestimmte Körperregionen geht es oft darum, den direkten Umraum der bewegten Glieder zu nutzen, und darum, die Bewegungen möglichst bestimmt zu diversifizieren.

„It’s not a research, it’s a task“
„Don’t present everything in front“
„In the middle of a movement, twist the reference you’re calling“
You are not dancing whatever but precisely whatever“

12.12.22

Die Ellbogen werden asymmetrisch gehoben, Muskelgruppen angespannt oder entspannt, die Münder geöffnet, die Blicke fokussiert. Mein Blick dagegen kommt bei den schnellen Parts oft nicht ganz mit, das eben Gesehene entschwindet rasch wieder. Die verschiedenen Soli spielen mit der Zeit, die zum Antizipieren benötigt wird, und mit dem Unerwarteten, dem Überraschungseffekt

„Don’t be polite with the music“
„Ça j’aime bien“
„Can we try to get a stop there? …“
„… or the idea of a stop“
„Resist the music“

Durch Han-Gyeol Lies und Paul Kotals Musikmontage schimmert das Thema der Probe selbst durch: Fingerübungen und Pianoforte-Techniken bauen einen Klangteppich, der sich selbst durch Manipulation oder Weglassung dekonstruiert. Ein Bug im Programm macht Paul zeitweise zu schaffen – nicht die Art von Dekonstruktion, nach der gerade gesucht wird.

Bis auf das Duett sind die wenigen Begegnungen in ihrer Unterschiedlichkeit wie voneinander unberührt. Unberührt, aber dennoch spürbar angenähert durch die unterschiedlichen Methodiken der letzten Probenmonate, angefangen bei den Achtsamkeitsübungen der ersten Produktion.

Beim Falten der Leaflets sprechen wir über andere Projekte, die parallel laufen, laufen müssen. „Je l’ai!“, ruft Alix irgendwann, „What?“, „Money!“ – eine Mail mit der Zusage für ein Forschungsstipendium, für das sie am selben Morgen das Interview hatte. Jubel. Das ging schnell! „Well“, lächelt Alix, „I worked one and a half years for it …“

Wir gehen rüber in die Halle G. Bepackt mit Kostümen und Props richten wir uns Backstage ein. Auf der Bühne werden die letzten schwingenden Lichttraversen fixiert.

 
Loading