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PARASOL Chat 4/5

Ray (Theresa Scheinecker) im Gespräch mit Gianna Virginia Prein

 

Ray (Theresa Scheinecker) im Gespräch mit Gianna Virginia Prein

Die fünf PARASOL-Teilnehmer*innen haben ihre erste Probenphase mit Ian Kalers Ecto-Fictions abgeschlossen und auf die Bühne gebracht. Gianna Virginia Prein, Schreibende und Künstlerin, die die diesjährige Gruppe begleitet, nutzt die Sommerpause, um mit den Teilnehmer*innen skizzenhafte Gespräche über Probenprozesse und -praktiken zu führen. Rays Erfahrungen in Street-Dance bringt Fragen zur Verknüpfung von Körper und dem urbanen Raum auf.

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Gianna Virginia Prein: In Stichworten: Wie fühlst du dich jetzt, wo du dich wieder mehr auf deine eigene künstlerische Praxis konzentrieren kannst?

Ray: Ich kann noch gar nicht alles einordnen und brauche noch Zeit zum Verarbeiten. Neugierig: Ich bin gespannt was aufpoppt, wenn ich in meine gewohnten Praktiken zurückgehe und welche der neuen Zugänge sich gefestigt haben. Die Qualität des „Weichen“, die beim Probenprozess von Ecto-Fictions eine wichtige Rolle gespielt hat, möchte ich mehr zu meiner Bewegungsgewohnheit machen.

GVP: Wo gibt es für dich beim Breakdance Überleitungen zum Zeitgenössischen?

R:Ich habe mich immer schwer getan, mich selbst zu kategorisieren. Egal welche Stile ich trainiert habe (Popping, Breaking, Freerunning, Akrobatik) – ich habe mich nie wohl gefühlt mich einem zuzuschreiben, sondern mich immer mehr als Moverin gesehen. Mein Ziel ist, alles was ich an Bewegungserfahrungen gemacht habe, zu vereinen. Ich versuche Grenzen aufzulösen und meine individuelle Form des Tanzes durch unterschiedlichste Zugänge zu entdecken – ein lebenslanges Projekt. [lacht] Ich liebe die Power, Kraft und Dynamik des Breakens, bin aber nicht weniger fasziniert von der „Weichheit“ des Contemporary Dance. Das zu verbinden hat mich schon immer gereizt.

GVP: Einen ähnlichen Kontrast zwischen Kraft und Weichheit sehe ich in deinen Instagramposts. Dort positionierst du deine Bewegungen in Architekturen. Das erinnert mich an VALIE EXPORTS aktionistische Körperkonfigurationen der achtziger Jahre. An zum Beispiel einem Bordstein geschmiegt oder angewinkelt auf den Treppen des Justizpalastes hat sie sich fotografisch dem Stadtraum angepasst. Für mich war das „der weibliche* Körper“, der in bestimmten öffentlichen, genauer gesagt patriarchalen Bereichen als Fremdkörper behandelt wird auch wenn er sich noch so sehr integriert. Ihre Positionen sind weniger ein Verschwinden als ein Markieren. Dadurch hat sie für mich diesen Integrationsversuch, dieses „Mitmachen“ in Frage gestellt. Wie ist es zu deinen Inszenierungen gekommen bzw. was hat dich daran interessiert?

R:Als ich mir meine Achillessehne gerissen habe, bin ich länger ausgefallen. In der Phase, in der ich mich nicht wie gewöhnlich bewegen konnte, habe ich mich mehr und mehr dem Stil Tutting zugewendet. Das ist ein Stil bei dem es darum geht geometrische Formen mit den Armen und Händen zu kreieren – ein Tanz der Illusionen schafft.

Gebäude und Architektur bieten viel Inspiration, da diese ebenfalls klare Formen haben – Kanten – Linien – Geometrie. Sie sind aus Menschenhand gemacht, doch fehlt „das Menschliche“. Ich finde es spannend mich durch eine „Form“ zu positionieren und so den „Tanz“ einzufangen.

GVP:Im Gegensatz zur Fotografie oder zum etwas länger gezogenem Moment eines kurzen Videos, vergeht auf der Bühne sichtbar Zeit. In Echtzeit. Wie war das für dich mit dieser Unmittelbarkeit und Länge bei PARASOL umzugehen?

R:Mir taugt es in einem Prozess zu sein, mich so lange mit einem Thema zu beschäftigen bis etwas entsteht, alles zu zerlegen und zu zerdenken. Ich muss nicht mehr meine „heißen Skills“ zeigen, sobald ich auf der Bühne stehe – es geht tiefer. Es war herausfordernd, weil ich schnell zu viel, immer mehr machen wollte. Dabei kann es genug sein, einfach über die Bühne zu laufen oder nur zu stehen.

Theresa Scheinecker, aufgewachsen in Oberösterreich, lebt seit 2010 in Wien. Sie studierte Psychologie als auch Psychotherapie und widmete sich in ihrem Leben intensiv diversen Bewegungsformen – im speziellen den Stilen Breaking, Popping und Tutting sowie der Akrobatik. Das Jahr 2018 verbrachte sie zum Teil in den USA, um in die Freestyle-Community der Hip-Hop-Kultur einzutauchen. Seit 2020 setzt sie sich ebenfalls mit Bühnenarbeit auseinander. 2021 war sie Teilnehmerin von diversen Research-Formaten bei ImPulsTanz.

 
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