TQW Magazin
Andreas Krištof über Monday: Watch out for the Right von Cláudia Dias & Pablo Fidalgo Lareo

Rumble in the Jungle

 
Claudia Dias Monday

Rumble in the Jungle

Nicht jede Performance ist ein Boxkampf, und nicht jeder Boxkampf ist eine Performance, und manchmal ist vor dem Boxkampf auch vor der Performance.

Als Muhammad Ali, alias Cassius Clay, 1974 in Kinshasa George Foreman im zur Legende stilisierten Boxkampf besiegte, war der Boxer bereits selbst zur Legende geworden und hatte gezeigt, welche politischen Dimensionen durchbrochen werden können, wenn die handelnde Person Integrität besitzt. Muhammad Ali hat nicht nur seinen Wehrdienst im Vietnamkrieg verweigert (und dafür eine Gefängnisstrafe in Kauf genommen), er war einer der ersten prominenten Black Americans, die zum Islam konvertierten. Er war eine gesellschaftliche Projektionsfläche und in all seinem Sein „Randgruppe“. Und trotzdem: Boxen war selten so Spektakel (und somit Brot und Spiele für die Menschen) und Politikum zugleich. Daran konnten selbst die theatrale Überhöhung, die fast schon in sich Persiflage war, und die mediale Übertreibung des Boxkampfes, die ihren Ausdruck unter anderem im Titel „The Rumble in the Jungle“ fand, nichts ändern.

Cláudia Dias’ Performance ist weder das eine noch das andere. Was sie aber ist, und das hat sie definitiv mit dem erwähnten Boxkampf gemeinsam, ist ein kämpferisches Plädoyer dafür, der Zukunft ohne Angst und vor allem mit Integrität entgegenzutreten. Die portugiesische Performerin erzählt von ihren eigenen Erfahrungen als Künstlerin, der vom einen auf den anderen Tag die Lebensgrundlage entzogen wurde. Wie auch in anderen Ländern wurden in Portugal als Reaktion auf die Wirtschaftskrise die staatlichen Förderungen kurzerhand auf null gesetzt. Wie umgehen mit dieser wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Krise, mit dieser europäischen Misere? Welche Maßnahmen, welche Strategien und Mittel galt und gilt es zu ergreifen? Alles eine Frage des Überlebens! Alles eine Frage des Trainings, könnte man meinen.

Nicht wie ein wirklicher Kampf, mehr wie ein Trainingsboxkampf mutet die Performance auch an. Wohltuend reduziert Dias das Motiv des Boxens, bringt es runter auf das, was es ist: Ein symbolisches Ritual des Verhandelns. Der Körper ist präsent, sucht und produziert Nähe, zugleich wahrt er gebührende Distanz. Dieses Vexierspiel beherrscht die Performerin aufs Beste, und dem Ende zu lässt sie die Aktion in einen liebesgleichen Tanz über die Fläche des Boxrings kippen. Sind die Gesten Extrakte des Boxens oder sind sie performative Hinzufügung, Verdeutlichung des Texts, der als weitere Ebene den Performanceabend strukturiert? Wie gehen gesprochener Text und geboxte Handlung zusammen? An manchen Stellen scheinen sie einander zu bedingen und zu unterstreichen, an anderen stehen sie unberührt nebeneinander. Immer wieder taucht in der Performance die Frage auf:

Meinst du, wir sind am richtigen Ort? Gibt es den einen richtigen Ort, an dem gesellschaftlich brisante und relevante Themen verhandelt werden (können)? Wo ist der Ort? Selbstzweifel sind angebracht, dagegenhalten, aufzeigen, nach Mitbestimmung verlangen und fighten sind aber die einzigen verbliebenen Mittel in diesem Kampf.

Wenn diese Performance den Beginn einer siebenteiligen Serie markiert, dann fragt man sich unwillkürlich, welche Instrumente sich die Künstlerin als Nächstes aneignen wird, um ihren Überlebenskampf weiterzuführen. Zu hoffen ist, dass sie möglichst lange durchhält. Nicht den Kampf zu gewinnen, sondern ihn in Gang zu halten ist die Devise, und nicht jede Performance ist ein Boxkampf, und nicht jeder Boxkampf ist eine Performance, und manchmal ist nach dem Boxkampf auch nach der Performance.

 

Andreas Krištof geboren 1970 in Hof/Dvor, Kärnten/ Koroška, Studium der Kunstgeschichte an der Karl-Franzens-Universität Graz. Von 2000 bis 2009 für das MAK (Österreichisches Museum für angewandte Kunst/ Gegenwartskunst) als Kurator für zeitgenössische Kunst und als Kustos für zeitgenössisches Design tätig. Seit 2009 als freier Kurator Teil des Kurator_innenkollektivs section.a.

 

 

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